12.08.2016 | „ÜberLebensmittel“: neue DBU-Ausstellung eröffnet

Podiumsdiskussion zum Thema „Was ist uns gutes Essen wert?“ zum Auftakt

Podiumsdiskussion Ausstellung
Diskutierten darüber, was uns gutes Essen wert ist (v.l.): Gert Lindemann, Rainer Spiering, Moderatorin Christiane Grefe, Reinhild Benning und Albert Schulte to Brinke.
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Osnabrück. Der Verbraucher habe es in der Hand, mit seiner Kauf-entscheidung von Lebensmitteln landwirtschaftliche Produktionstechniken zu beeinflussen. Wenn die Landwirtschaft ihre Produktionsmethoden offen darstelle, könne der Konsument besser entscheiden, dem Transparenz wichtig sei, wenn er Geld ausgebe. Dann seien auch höhere Preise für mit höheren Nachhaltigkeitsstandards produzierte landwirtschaftliche Produkte erzielbar. – Dieses Fazit zog Prof. Dr. Werner Wahmhoff, stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), am Donnerstagabend am Ende einer Podiumsdiskussion zum Thema „Was ist uns gutes Essen wert?“. Anlass war die Eröffnung der neuen Wanderausstellung der DBU „ÜberLebensmittel“. Sie präsentiert Hintergründe, Einblicke und Lösungsvorschläge, wie sich eine stetig wachsende Weltbevölkerung trotz begrenzter natürlicher Lebensgrundlagen und veränderter Ernährungsgewohnheiten auch in Zukunft gesichert und ausgewogen ernähren kann.

„ZEIT“-Redakteurin Christiane Grefe moderierte Diskussionsrunde

Moderiert von Christiane Grefe, Redakteurin der „ZEIT“ und Buchautorin, diskutierten Reinhild Benning von Germanwatch, Referentin für Landwirtschaft und Tierhaltung, Gert Lindemann, ehemaliger niedersächsischer Landwirtschaftsminister und ehemaliger Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Albert Schulte to Brinke, Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen, sowie Rainer Spiering, Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, über das Thema.

Benning fordert Kennzeichnung tiergerechter Haltungsformen bei Fleisch

Reinhild Benning wies darauf hin, dass Biofleisch europaweit immer stärker nachgefragt werde und eine hohe Bereitschaft in der Bevölkerung existiere, für besonders tiergerechte Haltungsformen auch mehr zu bezahlen. Das Problem sei aber, dass man das nicht erkennen könne. Ähnlich wie beim Ei sei eine Kennzeichnung erforderlich. Der Staat müsse klare Regeln erlassen. Sie kritisierte einen zu starken Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung und betonte, dass es mehr Antibiotikaresistenzen in Großställen und bei der Intensivtierhaltung gebe. Dagegen machten andere Formen landwirtschaftlicher Produktion etwa das Endprodukt Fleisch nicht unerschwinglich teuer.

Spiering für eine Anhebung der Mehrwertsteuer für Fleisch auf 19 Prozent

Dass ein großer Stall gleichbedeutend sei mit schlechter Tierhaltung, bestritten Rainer Spiering und Albert Schulte to Brinke entschieden – im Übrigen sei der Antibiotikaeinsatz in den letzten Jahren halbiert worden, unterstrich Schulte to Brinke. Staatliche Förderungen von Landwirten in der Tierhaltung sollten vom Tierwohl abhängig gemacht werden, betonte auch Gert Lindemann. Er forderte, dass auch für Fleisch der Mehrwertsteuersatz von sieben auf 19 Prozent angehoben werden müsse, um mit den Mehreinnahmen Initiativen in diese Richtung zu forcieren. Auch eine Unterstützung landwirtschaftlicher Betriebe analog zum Erneuerbaren Energiengesetz, es regelt die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen ins Stromnetz und garantiert deren Erzeugern feste Einspeisevergütungen, regte der Ex-Minister an.

Deutschland sei weltführend in der Landmaschinentechnik

Auch das Thema Bodenschutz stand im Blickpunkt der Diskussion. Benning kritisierte, dass viele Böden in Europa von Erosion oder Verdichtung betroffen seien und neue Technologien ohne ein neues ganzheitliches Denken daran nichts änderten. Natürlich müssten Grund und Boden besser geschützt werden, betonte Spiering, wie auch Phosphat aus Gülle rückgewonnen werden müsse. Aber moderne Technik lasse heute ein passgenaues Düngen auf den Feldern zu, womit Riesenmengen an Dünger eingespart werden könnten. Außerdem würden Roboter auf den Äckern entwickelt, die mechanisch Wildkräuter beseitigten und einen kompletten Verzicht auf Pestizide ermöglichten. Deutschland sei weltführend in der Landmaschinentechnik.

„Alten Gegensatz von öko und konventionell in Landwirtschaft überwinden“

Ein genauer und dosierter Einsatz von Nährstoffen sei aber auch aus wirtschaftlichen Gründen für die Landwirtschaft unumgänglich, argumentierte Schulte to Brinke. In globalisierten Märkten seien nationale Einzelwege nicht möglich. Schulte to Brinke: „Dann müssen wir die Außengrenzen schließen. Wir arbeiten ja nicht im Reagenzglas.“ Und Schweden etwa habe nach einer forcierten Umstellung der Haltungsbedingungen bei Schweinen 48 Prozent seines bisherigen Marktes verloren. Spiering, der sich für eine konsequente Hoftorbilanz aussprach - gemessen werden die Stickstoffmengen, die in einen Agrarbetrieb über Dünger oder Tierfutter hineingelangen, und das, was den Hof in Form landwirtschaftlicher Produkte wieder verlässt. Die Differenz muss auf dem Acker verblieben sein – brachte es so auf den Punkt: „Wir müssen den alten Gegensatz von öko und konventionell in der Landwirtschaft überwinden.“